Betrachtet man Projekte digitaler Beteiligung im kommunalen Bereich genauer, dann ist die Erfahrung mit Werkzeugen der digitalen Beteiligung zu oft leider ernüchternd. Die Gründe: u.a. geringe Teilnahme, qualitative ungute Beteiligung bzw. Ergebnisse, unzureichende Prozesseinbettung… Deshalb hier einige Punkte als Leitfaden, die ihr beachten könnt, wenn ihr Online-Beteiligung erfolgreich erreichen wollt – am Ende der vielleicht wichtigste Punkt „Exklusivität vermeiden“. Lasst uns gerne euren Kommentar da, welche Erfahrungen ihr im Rahmen von Online-Beteiligung gemacht habt.
- Prozessbetrachtung: Ein Online-Beteiligungsprozess unterscheidet sich prozessesual betrachtet im Gegensatz zum analogen Beteiligungsprozess nur an einer wichtigen Stelle, und zwar bei der Nutzung der Werkzeuge bzw. der Formate, die digital sind. Das heißt, auch wenn es Online-Beteiligung ist, gelten am Ende die gleichen Prozessschritte, wie bei einem analogen Prozess und keiner dieser sollte vernachlässigt werden – im Gegenteil.
Grafik: Prozess Beteiligungsprozess
- Kompass: Den Kompass für einen qualitativ soliden Partizipationsprozess erhaltet ihr mit dem 4B-Modell von bächle & spree und an dieser Stelle heben wir digitale Aspekte in diesem Zusammenhang hervor:
- Bewusst machen: Gegenstand/Thema, Setting, Handlungsmöglichkeiten und Ziel(e) der Beteiligung müssen kommuniziert und allen potenziellen TeilnehmerInnen bewusst gemacht werden.
- Befähigung: Alle müssen in der Lage sein, am Prozess teilzunehmen. Im Online-Prozess und beim Einsatz von digitalen Tools eine besondere Herausforderung, die gerne unterschätzt wird.
- Begeisterung: gute Beteiligung ist ein positives Erlebnis. Was schon in analoger Beteiligung eine große Aufgabe ist, kann bei Online-Umsetzung zur Mega-Aufgabe werden. Tools mit „lausiger“ Benutzerfreundlichkeit brauchenbeispielsweise einen anderen Mehrwert, um die TeilnehmerInnen bei Laune zu halten.
- Beteiligung: die Teilnahme der Beteiligung orientiert sich an am Ende daran, wie solide die ersten drei Bs umgesetzt sind.
- Prozesseinbettung: Aus dem ersten Punkt abgeleitet, steht ein digitales Beteiligungswerkzeug niemals alleine. Ein digitales Werkzeug oder Format muss in einem ganzheitlichen Beteiligungsprozess einbettet sein. Allerdings bringen Online-Werkzeuge nicht selten eigene Prozess-Anforderungen mit sich. Klassische Mängelmelder beispielsweise scheitern nicht selten an der Zuweisung von Verantwortlichkeiten und somit am Ticketing-Prozess. Die Folge: Mängel kommen rein, werden jemanden zugewiesen, der nicht verantwortlich ist, Tickets versanden im Zuständigkeitswirrwarr. Das kann man mit einem Prozessmodell sehr gut auflösen.
- Digitale Teilnahme: Das Erzielen einer guten Teilnahme an Online-Werkzeugen und -Events ist eine der größten Aufgaben. Gerne wird bei der Online-Beteiligung mit dem Gewinn neuer Zielgruppen spekuliert. Allerdings darf man nicht vergessen: Auch bei Online-Beteiligung kommen die TeilnehmerInnen nicht von alleine. Die Zielgruppen müssen in Kenntnis gesetzt werden wo sich sich einbringen können, sie müssen technisch und inhaltlich in der Lage sein, es muss u.a. eine Community geschaffen werden etc. Jede dieser Herausforderungen ist im Grunde nicht anders als bei Offline-Prozessen, aber in der Regel und zum Teil sehr viel intensiver in der Kommunikation und im Management.
- Digitale Kompetenzen und Know-How: Mit digitalen Werkzeugen und Formaten ist in der Regel auch die Hoffnung verbunden, neue Zielgruppen anzusprechen. Das ist auch sehr gut möglich. Allerdings folgen Communities auch ihren eigenen Regeln und Codes. Es braucht Kompetenzen, um in verschiedenen Kanälen und (bestehenden) Communities erfolgreich zu kommunizieren. Wie sieht ein guter Post auf Tiktok oder Tinder aus und wann wird es unglaubwürdig oder „affig“? Wie baue ich online Communities in meiner Plattform auf? Wie schaffe ich ein gutes Erlebnis, sodass die NutzerInnen wieder kommen? All das ist nicht trivial und erfordern Wissen oder ein digitales Händchen für das Projektmanagement.
- Neue Formen der Beteiligung: Online-Werkzeuge ermöglichen fantastische neue Möglichkeiten der Beteiligung. Zum Beispiel die Erhebung und Nutzung von Daten, um daraus partizipative Erkenntnisse zu gewinnen. Oder Methoden, mit denen man auf innovative Weise Annahmen erschließen kann. Das kann ein ganzer Kosmos sein und nicht selten muss man „um die Ecke denken“. Allerdings braucht es auch hier das nötige Wissen und ein Gefühl, um Werkzeuge, Methoden oder Daten sinnvoll und zielführend einzusetzen. Eine Open-Data-Plattform alleine ist keine Beteiligung. Ein Hackathon beispielsweise, durch den die Daten der Plattform genutzt werden, ist wiederum eine wundervolle neue Form der Beteiligung.
- Exklusivität: Sicherheitsbedenken, der Wunsch nach einer möglichst hohen Qualität in der Beteiligung bei der Nutzung von Online-Tools und zu großer Funktionalität sorgen für eine riskante Tendenz: Barrieren, zum Beispiel durch Sicherheits- und Anmeldesysteme (Registriervorgänge, im schlimmsten Fall mit brieflicher Benachrichtigung) oder wachsende technologische Anforderungen an die NutzerInnen. Beides führt am Ende sehr schnell in die Exklusivität solcher Angebote, da Zielgruppen schnell ausgeschlossen werden. Dagegen hilft nur ein gutes Zielgruppenmanagement, Scoping, Risikoanalysen und richtig viel Kommunikation!
Betrachtet man die angeführten Punkte, kommt man schnell zu folgenden Schlussfolgerungen: Online-Beteiligung braucht solides Projektmanagement, hat höheren Kommunikationsbedarf, braucht neue Kompetenzen und ein Grundverständnis von Digitalität und Datenhandling. Wenn alles zueinander kommt ist Online-Beteiligung eine richtig gute Sache mit enormen Potenzial.
Habt ihr Fragen oder sucht ihr noch Unterstützung bei der Umsetzung von Online-Beteiligung, meldet euch gerne: mail@baechleundspree.de
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